Es war ein breites Meinungsspektrum, das das Deutsch-französische Jugendwerk und die Sektion Perspektive Deutsches Kino im Rahmen ihrer Berlinale-Kooperation zum Werkstattgespräch die Kinemathek eingeladen hatten: Drei deutschsprachige und zwei französische Filmemacherinnen debattierten gestern im gut gefüllten Saal zum Thema „Fifty/Fifty: Mit Talent und ohne Job – Zeit für eine Regie-Quote?“ und zeigten dabei, wie weitläufig und vor allem wie kontrovers die Frage der Frauen-Quote derzeit diskutiert wird.
„Cinéast(e)s“
Noch vor dem Grußwort der Sektionsleiterin Linda Söffker sowie der DFJW-Generalsekretäre Béatrice Angrand und Markus Ingenlath eröffnete der Dokumentarfilm „Cinéast(e)s“ von Mathieu Busson und Julie Gayet die Veranstaltung. Er lässt zwanzig französischsprachige Filmemacherinnen zu Wort kommen und ergründet die Implikationen der Frage, was ein „Frauenfilm“ (damit sind Filme VON Frauen gemeint) eigentlich ist. Ein guter Aufhänger für die anschließende Debatte, die von Frédéric Jaeger – übrigens der einzige Mann in dieser Runde – geleitet wurde.
Hat Film ein Geschlecht?
Gleich zu Beginn der Debatte ist klar: Es wird hochspannend, denn die Zusammensetzung des Podiums hätte unterschiedlicher nicht sein können. „Wir haben in Deutschland 42% qualifizierter Hochschulabgängerinnen, aber Regisseurinnen erhalten vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen nur 11% der Aufträge“. Tatjana Turanskyj vom Regisseurinnen-Kollektiv ProQuote Regie plädiert für eine Quote, die Frauen die Arbeit im Regieberuf erleichtert. Für Produzentin Annekatrin Hendel zählt dagegen nur ein Wert, und der ist für sie geschlechtslos: Die Qualität der Geschichte. „Ich finde diese Diskussion um die Quote interessant, aber für mich ist immer die Hauptfrage: Was soll am Ende dabei rauskommen? Ich habe gar keine Zeit, mich wirklich damit zu befassen.“
„Die Quote hat die Eleganz einer Brechstange“, antwortet eine Filmemacherin aus dem Publikum auf das Argument, die Quote sei unsexy. Aber manchmal sei die Brechstange eine ganz gute Methode, um bestimmte wirtschaftspolitische Forderungen durchzusetzen. Für Julie Gayet liegt der Unterschied in der Branche: Es sei – zumindest in Frankreich – viel schwieriger, in der Kunst über Quoten zu sprechen, als zum Beispiel in der Politik, denn es ginge hier schließlich um die Verteilung von Fördergeldern und nicht um Gehälter. Die Forderung der Quote im Filmbereich müsse deshalb anders formuliert werden.
Buh-Rufe und Zwischenapplaus
Im Lauf der Diskussion heizt sich die Stimmung auf, das Podium liefert sich einen lebhaften Schlagabtausch. Auch im Publikum scheint jeder eine Meinung zur Quote zu haben: Lauter Protest ertönt aus den hinteren Reihen, als Regisseurin Axelle Ropert die provokante These aufstellt, das Kino als weißes, männlich dominiertes Terrain sei nicht unbedingt das geeignete Trägermedium für feministische Repräsentationen. Und auch Annekatrin Hendel erntet auf ihre Behauptung, die Kunst würde womöglich unter einer Quote leiden, heftige Zwischenrufe. Doch hier lässt sich niemand den Mund verbieten.
Es geht weiter. Unterschiede in der deutschen und französischen Film- und Fernsehbranche werden erörtert, das Thema Kinderbetreuung wird aufgeworfen, am Ende landen alle wieder bei der Frage: Hat Film, oder die Kunst im Allgemeinen, ein Geschlecht?
Thema Nummer Eins
Nachhelfen oder nicht? Die Diskussion um die Gleichstellung ist auf der diesjährigen Berlinale omnipräsent – was für einige Kritiker auch ein Problem darstellt: „Wenn mir vor der Berlinale jemand erzählt, dass wir jetzt zum zweiten Mal einen Film von einer Frau zur Eröffnung haben, dann gucke ich mir diesen Film ganz anders an“, erklärt Annekatrin Hendel. Sie bezieht sich dabei auf „Nobody wants the Night“ der Regisseurin Isabel Coixet, die mit ihrer Forderung nach der Frauenquote bereits beim Eröffnungsabend für Gesprächsstoff sorgte.
Ob in der Filmbranche ein Idealzustand durch die Einführung von Quoten erreicht werden kann, darüber herrscht auf dem Podium große Uneinigkeit. Einzig bei der Forderung nach mehr Studien über die Vergabe von Fördergeldern scheinen alle halbwegs einer Meinung zu sein. Fazit: Es bleibt kompliziert. Und das Thema Quote ist mit Sicherheit noch nicht zu Ende diskutiert.