Das renommierte Austauschprogramm Georges-Arthur Goldschmidt wird seit 1999 vom Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) gemeinsam mit dem Bureau International de l’Edition Française (BIEF) und der Frankfurter Buchmesse organisiert. Es bietet jedes Jahr fünf französischen und fünf deutschen Literaturübersetzer/innen die Gelegenheit, jeweils drei Wochen lang im Collège International des Traducteurs Littéraires (CITL) in Arles und im Literarischen Colloquium in Berlin gemeinsam an ihren Übersetzungsprojekten zu arbeiten. Angeleitet wurden sie dabei in diesem Jahr von den Mentorinnen Marie-Ange Roy (Frankreich) und Patricia Klobusiczky (Deutschland).
In einer von Claudia Hamm (Goldschmidt-Teilnehmerin 2008) inszenierten Lesung stellen die aktuellen Programmteilnehmer/innen zum Abschluss des diesjährigen Programms ihre Texte in Berlin vor.
Datum:
Mittwoch, 30. März 2016 um 20:00 Uhr (Einlass ab 19:00 Uhr, Eintritt frei)
Ort:
Lettrétage, Berlin-Kreuzberg
http://www.lettretage.de
- Informationen zum Georges-Arthur Goldschmidt-Programm
- Informationen zum Programm auf der Seite der Frankfurter Buchmesse
Die fünf deutsch-französischen Tandems 2016 und ihre Projekte
In ihrem Debütroman „Alles ist jetzt“ erzählt Julia Wolf in einer zugleich präzisen und elliptischen Sprache von Ingrid, einem zeitgenössischen „Kunstseidenen Mädchen“, das im Jetzt der Großstadt verloren ist, weil seine Vergangenheit diesem Jetzt wie ein Hindernis im Weg steht, ins Französische übersetzt von Sarah Raquillet ; André Hansen übersetzt Robert Alexis’ Roman L’homme qui s’aime („Der sich liebt“), der vom Geschlechtswandel eines Dandys der 1890er Jahre zur unbeirrbaren und freien Hortense Vilard im Stil des Fin de siècle erzählt, wobei die Sprache die Verwandlung der Hauptfigur nachvollzieht.
Marion Marti übersetzt Monique Schwitters Roman „Eins im Andern“, der unter anderem mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet wurde. In zwölf Kapiteln – benannt nach den zwölf Aposteln – denkt die Erzählerin über ihre vergangenen Lieben und die Liebe an sich nach, über Liebesglück und Liebesleiden und wie man sich schreibend von ihm befreien kann; Jakob Schumann übersetzt La Maladroite („Die Unbeholfene“) von Alexandre Seurat. Der Debütroman erzählt die Geschichte von Diana, einem Mädchen, das seit frühester Kindheit von seinen Eltern misshandelt und im Alter von acht Jahren heimlich getötet wird. Statt das Opfer oder die Täter lässt Seurat die Verwandten, Lehrer, Ärzte und Sozialarbeiter zu Wort kommen, die fern von Voyeurismus oder erhobenem Zeigefinger ein Verbrechen schildern, dem sie ohnmächtig gegenüberstanden.
Corps Désirable („Wunschkörper“) des Romanautors und Essayisten Hubert Haddad, aus dem Französischen übersetzt von Jacob Sandler, ist ein mitreißender Thriller über die erste Kopftransplantation in Europa und führt den Leser auf eine spannende Verfolgungsjagd durch Griechenland, Frankreich, die Schweiz und Italien, dabei wirft er wichtige ethische sowie ontologische Fragen auf, die sich eine Gesellschaft des unaufhaltsamen medizinisch-technischen Fortschritts stellen muss; Julien Lapeyre de Cabanes übersetzt ins Französische „Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe“ (Suhrkamp, 2009), eine Romantriologie des Bochumer Bergmannssohns und Nachtportiers Wolfgang Welt, dem es gelungen ist, eine vierhundertseitige und besonders aufrichtige Chronik seiner auf den Heimatstadtteil Wilhelmshöhe beschränkten Existenz zu schreiben. Die dazugehörenden Themen – Bier, Fußball, Frauen und vor allem Rock’n’Roll – behandelt Wolfgang Welt mit sprühender Belesenheit, spitziger Selbstironie und vor allem mit der festen Absicht, den Seinigen ein Denkmal zu errichten. Ein Monument der Aussteiger-Literatur schlechthin.
Fesselnd, konkret, aktuell, humorvoll, freundlich, bissig und bunt, das alles kennzeichnet Rafik Schamis Novellensammlung „Eine deutsche Leidenschaft namens Nudelsalat“, die auf erfrischende Weise Deutschland und die Skurrilitäten seiner Einwohner darstellt und zugleich davon erzählt, wie es sich als Ausländer in Deutschland lebt, ins Französische übersetzt von Lucie Reiss; Lisa Käuffert übersetzt den Debütroman des Sängers und Musikers Bertrand Belin, Requin („Der Hai“), der die letzten Augenblicke eines ertrinkenden Mannes beschreibt, wobei sich humorvolle Anekdoten aus dessen Vergangenheit mit seinen Gedanken zu Leben und Tod abwechseln, das Ganze in einem unerwarteten Stil, mit immer wiederkehrenden Motiven, wie dem Wasser, die an Belins Lieder erinnern.
Le chasseur inconnu erzählt aus der Perspektive eines ominösen „Wir“ von den merkwürdigen Begebenheiten im Dorf. Zeitgenössische Literatur aus Québec, die mit grotesker Komik und beunruhigendem Realismus besticht, übersetzt aus dem Französischen von Julia Charlotte Kersting; fünf Menschen, die alles verlassen hatten, tauchen plötzlich wieder auf und verändern das Leben derer, die sie damals zurückgelassen haben: in seinem zweiten Roman „Die Verschwundenen“, übersetzt von Flavie d’Herlincourt, erzählt Wolfgang Popp in fünf ungewöhnlichen Geschichten, die in ihrem leicht fließenden Stil an Novellen erinnern, von einem Phänomen des menschlichen Miteinanders, das wohl ein jeder schon auf die eine oder andere Weise kennengelernt hat.