#6 In der Schule wie im Leben: Kontexte und Herausforderungen beim Erlernen der Partnersprache in einem mehrsprachigen Europa
Violaine Bigot & Anne Jardin
Der Élysée-Vertrag feiert seinen 60. Jahrestags und es stellt sich die Frage nach dem Erwerb der Partnersprache in beiden Ländern.
Wie lässt sich der Rückgang in den letzten Jahrzehnten erklären und was gibt Anlass zur Hoffnung? Wie steht es um die Begeisterung für die Partnersprache im formalen, wie im non-formalen Bildungsbereich? Wie kann die Kooperation zwischen allen Akteuren in diesen Bereichen gestärkt werden und einen neuen Elan bei diesem wichtigen Thema für die deutsch-französischen Beziehungen entfalten?
Die Frage von digitalen Hilfsmitteln, ebenso wie der Kontext der Globalisierung und die Herausbildung einer mehrsprachigen europäischen Bürgerschaft sind nur einige der Themen, die im Podcast besprochen werden.
Auf einen Blick
60 Jahre nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags ist die Anzahl der Schüler:innen, die Deutsch oder Französisch als erste Fremdsprache lernen, so niedrig wie noch nie. Gleichwohl hat sich der Anteil der Schüler:innen, die die Sprache des Partnerlandes als erste oder zweite Sprache lernen, bei etwa 15 Prozent stabilisiert.
Die Schule und die Schülerschaft sehen sich mit neuen Aufgaben konfrontiert. Der Stellenwert der zweiten modernen Fremdsprache und anderer Sprachen neben dem Englischen wird dadurch in der Schullaufbahn der Schüler:innen geschwächt.
Gleichzeitig wächst der Anteil junger Menschen in Deutschland und Frankreich mit Kompetenzen in sehr unterschied- lichen Fremdsprachen. Im Kontext der Globalisierung ist die Motivation für das Erlernen einer Sprache verschieden und vielfältig. Diese Realität der Mehrsprachigkeit muss bei der Vermittlung der Nachbarsprache berücksichtigt werden.
Die bilingualen Bildungsangebote von der Kita bis zur Hochschule haben sich in den vergangenen 20 Jahren positiv ent- wickelt. Viele junge Menschen verfügen nach ihrer Schul- und Universitätsausbildung über zweisprachige Kompetenzen.
Technische Entwicklungen und der leichte Zugang zu digitalen Hilfsmitteln, die eine mehrsprachige Kommunikation erleichtern, stellen die Frage nach der Motivation zum Erlernen von Fremdsprachen.
Soziale Interaktion ist für die Identitätsbildung von Jugendlichen ausschlaggebend. Begegnungen mit Gleichaltrigen aus dem Nachbarland können entscheidende Lernmotivationen auslösen.
Der „systematische“ Spracherwerb, den die Schule anbietet, ist für die Verbreitung der Nachbarsprache unabdingbar. Er muss aber auch mit mehrsprachiger und plurikultureller Interaktionen verknüpft werden, im Sinne der Herausbildung einer europäischen Bürgerschaft.
Violaine Bigot ist Professorin für Sprachwissenschaften und Mitglied des Labors Lidilem (EA 609, Universität Grenoble Alpes). Dort forscht sie über Phänomene der sprachlichen Sozialisation durch das Prisma der sprachlichen Heterogenität und des Kontakts von Sprach(varianten). Sie interessiert sich insbesondere für Fragen der Entwicklung der Sprachrepertoires von Subjekten in schulischen und außerschulischen Kontexten sowie für die identitätsstiftenden Herausforderungen von Sprachpraktiken in Situationen des Sprach- und Kulturkontakts. Sie war von 2017 bis 2022 an einem deutsch-französischen Forschungsprojekt des DFJW beteiligt, das zur Neuauflage des Leitfadens Die Sprachanimation in interkulturellen Jugendbegegnungen : Ein Beitrag zur mehrsprachigen Bildung in Europa (2022) führte.
Anne Jardin hat einen DEA in Germanistik der Universität Paris III und einen Master Ingéniérie des échanges interculturels. Seit 2009 ist sie stellvertretende Referatsleiterin im Referat « Interkulturelle Aus- und Fortbildung » im DFJW und Lei- terin des Bereichs « Sprachliche Ausbildung ». Sie leitete mehrere Veröffentlichungen zum Thema Methodik im interkulturellen Austausch, unter anderem vor kurzem : Die Sprachanimation in interkulturellen Jugendbegegnungen : Ein Beitrag zur mehrsprachigen Bildung in Europa. Darüber hinaus koordiniert sie die Entwicklung mehrerer digitaler Plattformen, die dem Erlernen der beiden Partnersprachen gewidmet sind, darunter Tele-Tandem und Parkur