Auch die Wanderungsbewegungen von Menschen sind von Natur aus und seit jeher eng mit der Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse verknüpft. Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt treiben jedes Jahr Tausende dazu, ihr Land, ihre Heimat, ihr Zuhause und ihre Familie hinter sich zu lassen – in der Hoffnung auf eine lebenswertere Zukunft. Diese freiwilligen oder unfreiwilligen Umsiedlungen bleiben leider oft unsichtbar in der internationalen Politik, in der Migration in einem komplexen Gefüge aus Unsicherheit, Konflikten, Naturkatastrophen, Umweltzerstörung und Klimawandel stattfindet. Erst 2010, bei der 16. Weltklimakonferenz in Cancún, wurde der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration von den Vereinten Nationen erstmals anerkannt.

Klimamigration – meine Geschichte, mein Engagement
Ich kann nicht über Klimamigration sprechen, ohne auch meine eigene Geschichte und mein Engagement zu teilen. Mein Interesse an der Verbindung zwischen Migration und Klimawandel begann 2019, als ich die Organisation des panafrikanischen, ethischen und ökologischen Festivals DakarEcofest für die NGO Écologie Universelle leitete – eine Organisation, die ich direkt nach meinem Ingenieurstudium im Bereich Umweltwissenschaften gründete. Obwohl das Festival vom 20. bis 22. Dezember in Dakar stattfand und sich vor allem an afrikanische Bevölkerungen richtete, war es international ausgerichtet. Unter den Gästen waren Teilnehmende und Redner:innen aus aller Welt, vor allem von internationalen Organisationen, darunter auch die Vorsitzende von Sea Shepherd Frankreich. Schon bei der Programmentwicklung war mir klar, dass eine große Konferenz zu Ökologie und Migrationskrise Teil des Festivals sein sollte. Damals folgte ich einfach meinem Bauchgefühl, die Konferenz in das Programm aufzunehmen. Ich wusste nicht mal genau, wen ich als Redner anfragen würde. Erst viel später wurde mir bewusst, wie persönlich das Thema für mich ist und wie tief es in mir verankert ist.

Im September 2019 schrieb ich für die deutsche Rosa-Luxemburg-Stiftung einen Artikel über Ökofeminismus. Die Programmverantwortliche der Stiftung im Senegal, Fatou Faye, erzählte mir von Professor Aly Tandian – Dozent und Leiter des Forschungszentrums Gender, Umwelt, Religion und Migration (GERM) an der Universität Gaston Berger in Saint-Louis. Sie brachte mich mit ihm in Kontakt für die Moderation der Konferenz „Ökologie und Migrationskrise“. Ich wusste sofort: „Das passt perfekt! Wer könnte besser zu diesem Thema sprechen als Professor Tandian, ein Pionier, der seit Jahren die Umweltmigration im Senegal erforscht?“.

Die Konferenz fand am 22. Dezember 2019 statt, dem letzten Tag des Festivals. Trotz meiner Erschöpfung und der Aufregung des Abschlusstages ließ ich mir diesen Vortrag nicht entgehen – es war der einzige, bei dem ich von Anfang bis Ende dabei war. Es war ein Schlüsselmoment, reich an Austausch und vor allem ein Moment der Offenbarung. Professor Tandian sprach u. a. über Migrationsbewegungen aus dem Sahel, insbesondere aus den Regionen Saint-Louis und Matam im Norden Senegals. Er erklärte, wie Dürre, Wasserknappheit und erschwerte Bedingungen in der Landwirtschaft dazu führten, dass Familien ihre Heimat verließen – erst Richtung Dakar, später Richtung Europa. Das traf mich besonders, denn meine Familie stammt aus Podor, einer Gemeinde in der Region Saint-Louis. Mein Großvater hatte mir erzählt, dass in den 1970er-Jahren, nach einer langen Dürreperiode, die Elefanten von der Île à Morphil in Podor – der größten Insel Senegals – verschwanden. Diese Begegnung mit Professor Aly Tandian bestätigte, was ich längst ahnte: Es gibt einen realen, konkreten Zusammenhang zwischen Klimawandel, dem Verlust der Artenvielfalt und Migration.

Wie nie zuvor wird Migration heute in Europa politisch und medial intensiv diskutiert. Als Französin, Europäerin mit senegalesischen Wurzeln, ist Migration Teil meiner Geschichte. Mit der Zeit habe ich verstanden, dass niemand seine Heimat leichten Herzens verlässt. Der Schritt ist oft schmerzhaft – aber wenn es ums Überleben geht, darum, die Lebensbedingungen ihrer Gemeinschaft zu verbessern, treffen Menschen diese Entscheidung mit Kummer und Klarheit. Ob meine Großeltern oder meine Familie, Menschen aus dem Sahel, aus Bangladesch, Somalia oder dem Jemen, um nur ein paar zu nennen, sehr viele erleben die Realität der Klimamigration aus nächster Nähe. Diese Bewegungen begannen schon in den 60er- und 70er-Jahren. In Zeiten schwerer Dürren im Sahel setzte eine erste Welle natürlicher Klimamigration ein – so wie die Vögel und Elefanten ihre Lebensräume verließen. Das scheint unmittelbar im Überlebensinstinkt von Lebewesen begründet. Heute treiben Naturkatastrophen wie Stürme, Überschwemmungen und der steigende Meeresspiegel die Migration weiter voran. Was also tun? Grenzen dicht machen? Sich abschotten? Die überlebenswichtige Notwendigkeit eines Schutzstatus für Klimaflüchtlinge weiter leugnen? Zunächst möchte ich daran erinnern, dass die meisten Migrationsbewegungen innerhalb des Herkunftsstaates oder in benachbarte Länder stattfinden. Auch meine Vorfahren zogen zunächst vom Norden Senegals nach Dakar. Später, als französische Unternehmen wie Renault oder Peugeot massenhaft Arbeitskräfte suchten, wagten sie den Schritt nach Europa, um in den Fabriken ihr Glück zu versuchen. Obwohl die Art der Migration meiner Vorfahren wirtschaftlich und kolonial bedingt ist, kann man unter den tieferliegenden Ursachen auch Probleme erkennen, die mit der Verschlechterung der Lebensbedingungen durch die Dürre zusammenhängen. Laut dem Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) war 2022 ein Rekordjahr: 32 Millionen Binnenvertriebene, 98 Prozent davon wegen Überschwemmungen, Dürren und Waldbränden.

Und was heißt das für Europa?
Ich denke, wir brauchen deshalb endlich eine ehrliche, realistische und offene Debatte über Umweltmigration in Europa. Genau aus diesem Grund haben wir das Projekt Legacy Bridge ins Leben gerufen. Es gibt jungen Menschen zwischen 13 und 25 Jahren aus Frankreich, Deutschland und Belgien die Möglichkeit, ein Audio-Dokumentarprojekt zum Thema Klimamigration zu entwickeln. Wir möchten junge Menschen aus benachteiligten Stadtteilen erreichen, die oft keinen Zugang zu solchen Chancen haben. Unser Ziel: Aufklärung der jungen Menschen über Klimawandel, Verlust der Biodiversität und die Verbindung zur Migration, um die instrumentalisierte Debatte, die wir in Europa erleben, zu dekonstruieren. Ihr soll eine humanistische Perspektive entgegengesetzt werden – um echte Lösungsansätze zur Abmilderung zu finden. So wird die Widerstandskraft der Bevölkerungen gestärkt, die vom immer schnelleren Verlust der biologischen Vielfalt und von der Erderwärmung betroffen sind. Mit diesem Projekt, das vom Deutsch-Französischen Jugendwerk unterstützt und mit dem Inspiring Young Europeans Award der Hippocrène-Stiftung ausgezeichnet wurde, beginnen wir, eine Brücke zu bauen. Ein Vermächtnis, das nur im Miteinander entstehen kann: durch persönliche, kollektive, multikulturelle Geschichten. Ein Vermächtnis, das auf europäischen und humanistischen Werten beruht.

Europa kann mit dem Migrations- und Asylpaket die Anerkennung des Status als Klimaflüchtling voranbringen – und Menschen, die aufgrund des Klimawandels gezwungen sind, ihr Land zu verlassen, nicht nur technisch, sondern auch menschlich begleiten. Von einem solchen Schutzstatus würden auch die Bevölkerungen in Europa profitieren. Denn Vertreibung aufgrund des Klimas betrifft längst nicht mehr nur ferne Regionen. Die Überschwemmungen in Spanien haben eindrücklich gezeigt, dass Klimakatastrophen auch bei uns vorkommen. Was es jetzt definitiv braucht, ist ein starkes europäisches Engagement, um Programme zur Anpassung an den Klimawandel und zur Abmilderung seiner Folgen auf den Weg zu bringen. Das würde sehr deutlich das Leben jener verbessern, die heute schon ganz direkt von Klimamigration betroffen sind und darunter leiden.

Aminata Sidibé hat ein Ingenieurstudium im Bereich Umweltwissenschaften absolviert, das DakarEcofest-Festival organisiert und engagiert sich in der NGO "Ecologie universelle".