von Stefan Semjancuk
Lediglich 5 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wagte der damalige französische Außenminister Robert Schuman die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl – und legte damit den Grundstein für die Europäische Union (EU). Diese Erklärung sollte vor allen Dingen auch für Frieden zwischen Deutschland und Frankreich sorgen, ehe 13 Jahre später, also im Jahr 1963, der Élysée-Vertrag als Freundschaftsvertrag zwischen unseren beiden Ländern geschlossen und somit ebenfalls das DFJW gegründet wurde!
Krisen über Krisen
Nach all den historischen Fakten und Begebenheiten kommt jedoch zwangsläufig die Frage auf, wie es aktuell um Europa steht. Wie ist es im Jahr 2023 als junger Mensch in Europa?
Seit über einem Jahr ist unser Kontinent wieder Schauplatz eines grausamen und zerstörerischen Krieges. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verdeutlicht uns eindrücklich und schmerzhaft, dass Frieden und Sicherheit in Europa nicht selbstverständlich sind.
Die Klimakrise, die mit immer größer werdenden Schritten unaufhaltsam voranschreitet, bereitet vor allem uns jungen Menschen große Sorge. Extremwetterereignisse von immer länger anhaltenden Dürreperioden bis hin zu Waldbränden oder auch Überschwemmungen sind Folgen, die alle Menschen in Europa bereits zu spüren bekommen. Wir als junge Generation sind aber diejenigen, die mit dem Klimawandel am längsten zurechtkommen müssen.
Dabei sind es gerade brutale Kriege und der Klimawandel, die humanitäre Katastrophen auslösen und unschuldige Menschen dazu zwingen, ihre Heimat verlassen zu müssen. Auch meine eigene Familie, die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammt, musste vor 28 Jahren ihre Heimat verlassen, als Bomben und Panzer gegen die Zivilbevölkerung gerichtet wurden.
Die Antwort kann nur gesamteuropäisch sein
Auch wenn die genannten Herausforderungen riesig sind und auf den ersten Blick mehr Sorge als Hoffnung verbreiten, so können wir uns sicher sein, dass wir gesamteuropäisch Lösungen finden können – und müssen! Gerade beim Klima sind Änderungen und Engagement auf lokaler und nationaler Ebene ebenso wichtig. Bei dieser bevorstehenden Generationenaufgabe müssen wir vor allen Dingen groß und international denken, da der Klimawandel vor Ländergrenzen keinen Halt macht. Die EU mit ihren 27 Mitgliedsstaaten und beinahe 450 Millionen Einwohner*innen ist nicht nur ein loser Staatenbund, sondern eine Werte-, Rechts- und Sicherheitsgemeinschaft. Wenn wir entschieden und mutig vorangehen, sind Änderungen möglich. Gleichzeitig dürfen wir nicht nur in den Grenzen der aktuellen EU denken und handeln, sondern müssen unseren Kontinent in voller Gänze erfassen und involvieren. Die Perspektive der Beitrittskandidaten für die EU-Mitgliedschaft ist zentral für Frieden und Sicherheit in Europa, vor allem für die Staaten des Westbalkans sowie für die Ukraine und Moldau. Die Beitrittskriterien der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind unabdingbare Werte, die uns dabei einen.
Europäische Errungenschaften
Gerade am heutigen Europatag sollten wir uns darauf besinnen, was es heißt, Europäer*in zu sein. Neben allen Herausforderungen und Krisen ist es mindestens genauso wichtig, unsere europäischen Errungenschaften niemals zu vergessen und sich diese regelmäßig vor Augen zu führen:
Wir sind die Generation, die im Zeitalter der EU geboren wurde. Wir sind die Generation, die es zum Großteil gar nicht mehr kennt, lange im Stau an der Grenze zu einem anderen Staat stehen zu müssen, da wir die Freizügigkeit als normal erachten. Wir sind die Generation, die mit ein und derselben Währung in zahlreichen Nachbarstaaten einkaufen gehen kann. Wir sind die Generation, die in der Schule die Sprachen unserer europäischen Freunde und Nachbarn lernt. Wir sind die Generation, die durch das Erasmus-Programm geradezu ermutigt und aufgefordert wird, in jungen Jahren Bildung vor Ort bei unseren europäischen Freunden im Land zu erfahren. Wir sind die Generation, die sich mit vollem Herzen als Europäerinnen und Europäer identifiziert, ohne dabei unsere Heimatländer zu vergessen. Wir sind die Generation, die vor allen Dingen Freundschaft mit unseren europäischen Nachbarn verbindet.
Gerade deshalb muss Europa ein Friedensprojekt sein und bleiben, da Krieg innerhalb eines Wimpernschlags so viel zerstört, was danach Jahrzehnte lang mühsam wiederaufgebaut werden muss. Europa wird nur Bestand haben, wenn wir geeint und geschlossen sind – ganz egal aus welchem Land wir stammen. Europäisch zu denken und zu fühlen darf nicht als Widerspruch zur eigenen nationalen Identität stehen, sondern geht mit dieser einher. Nur zusammen sind wir stark und können etwas bewegen, gerade im weltweiten politischen Geschehen. Wir müssen uns trauen, dafür aufzustehen und antieuropäischen Kräften die Stirn zu bieten. Denn schließlich geht es vor allem um unsere Zukunft, das gesamte Leben, dass wir als junge Menschen noch vor uns haben auf diesem schönen Kontinent.
Engagiere dich!
Deshalb kann ich dich nur dazu einladen und ermutigen, dich für Europa zu engagieren und mitzumachen. Sei es über das DFJW, das auch zahlreiche Projekte mit anderen Ländern neben Deutschland und Frankreich organisiert, das Europäische Jugendparlament, das European Youth Event, das diesen Sommer in Straßburg stattfindet, und vor allen Dingen bei der Europawahl 2024! Zum ersten Mal dürfen bei dieser Wahl auch deutsche Jugendliche ab 16 Jahren ihre Stimme abgeben und dabei die künftigen Abgeordneten des EU-Parlaments mitbestimmen.
In diesem Sinne gilt es, mutig voranzuschreiten, um unsere europäischen Werte und Errungenschaften zu beschützen und weiter auszubauen. Nur gemeinsam sind wir stark und können etwas verändern! Es lebe Europa, vive l’Europe!