Von ersten Schritten im Milieu des Franco-Allemand ...

Ich wurde als Tochter einer deutschen Mutter und eines französischen Vaters geboren, bin in beiden Ländern aufgewachsen und wurde zweisprachig erzogen. Aber obwohl ich einen Großteil der Schulferien bei meiner Familie in Deutschland verbrachte, habe ich immer nur in Frankreich gewohnt, bin dort zur Schule gegangen, habe dort studiert und fast alle meine Freund:innen dort kennengelernt. Ich wurde oft gefragt, ob ich mich eher als Deutsche oder Französin fühle. Ich habe es nie verstanden: Kann man sich denn nicht als beides gleichermaßen fühlen? Ich habe mich immer als beides gefühlt. Da ich aber nie in Deutschland gelebt hatte, traute ich mir nicht zu, ein professionelleres, gehobenes Deutsch zu verwenden. Außerdem hatte ich mich noch nie mit der deutschen Verwaltung auseinandergesetzt und kannte Deutschland außerhalb meiner Heimatregion in der Nähe von Leipzig kaum. Folglich entschied ich mich nach Abschluss meines Masters in linguistischer Forschung, eine Zeit lang in Deutschland zu leben und zu arbeiten.

Neben meinem Studium habe ich in Frankreich viel im Bereich Kinder- und Jugend-Animation gearbeitet, etwa für den Verband Familles rurales du Calvados. In dem Rahmen bin ich auch auf das DFJW und die internationale Jugendarbeit aufmerksam geworden, als ich 2022 in Würzburg an einem Multiplikator*innen-Austausch teilnahm. Diese erste Begegnung öffnete mir die Tür zu zwei deutsch-französischen Ferienfreizeiten in Zusammenarbeit mit den Partnern des Kreisjugendring Schweinfurt. Als ich vom Programm AbP erfuhr, wusste ich sofort, dass ich genau das machen wollte! Im Mai 2023 bewarb ich mich bei Arbeit und Leben NRW in Düsseldorf: Im September durfte ich dort meine Stelle antreten.

... zu ersten Schritten mit AbP!

Am ersten Tag im Büro konnte ich mich nach einer herzlichen Begrüßung durch die neuen Kolleg:innen schnell mit der Arbeitsumgebung vertraut machen. Sofort stand das Chance-Festival an, ein deutsch-französisches Musikfestival, bei dem wir einen Infostand über das Netzwerk Route NN betreuten, zu dem Arbeit und Leben NRW gehört.

Ein großer Unterschied, der mir schnell auffiel, war die alltägliche Nutzung digitaler Hilfsmittel. Abgesehen von den Computersystemen in Schule und Universität war es für mich neu, ein dienstliches Telefon zu haben und mit digitalen Kalendern zu arbeiten. Ich musste mich also erst an ein neues Arbeitssystem gewöhnen, aber inzwischen würde ich es kaum mehr missen wollen!

Nach und nach übernahm ich Aufgaben aus laufenden Projekten, etwa eine Drittortbegegnung in Aachen oder einen Austausch zwischen Jugendlichen aus Horrem bei Köln und Sarcelles in der Nähe von Paris. Mit der Zeit wurde ich immer selbstständiger und übernahm mehr Aufgaben und Verantwortung. Der Alltag war sehr vielfältig, da ich in alle Phasen der Projekte eingebunden war. So stand ich unter anderem in Kontakt mit den Partnervereinen und -schulen, half bei der Programmgestaltung, nahm einige Buchungen vor und empfing die Gruppen und Betreuer:innen bei ihrer Ankunft.

Außerdem konnte ich Projekte als Teamerin begleiten, darunter einen Austausch in Paris im Oktober, beide Phasen eines Jugendaustauschs in Paris und Köln, einen Austausch zwischen Jugendlichen aus Dünkirchen und Krefeld sowie einen zweiwöchigen Tandemkurs im Juli.

Ein Höhepunkt des Jahres war das jährliche AbP-Treffen im Juni, bei dem wir uns alle für ein paar Tage trafen, um uns kennenzulernen, auszutauschen und gemeinsam eine schöne Zeit zu verbringen. Arbeit beim Partner ist ein Programm, aber vielmehr noch ein großes Netzwerk. Im Laufe des Jahres habe ich viele Menschen getroffen, die ebenfalls AbP gemacht haben - vor einem, fünf, zwanzig oder sogar dreißig Jahren!

Ein prägendes Jahr ...

Am Anfang versuchte ich oft, Entsprechungen zwischen den beiden Ländern zu finden, etwa für die Funktionsweise von „accueil collectif des mineurs“ oder die „éducation populaire“, mit denen ich aus Frankreich vertraut war.  Auch wenn die Entsprechung manchmal einfach zu sein scheint, wie z. B. zwischen BAFA und Juleica, gibt es in den meisten Fällen keine wirkliche Entsprechung. Selbst im genannten Beispiel gibt es viele Unterschiede.  Die Systeme und Funktionsweisen in Deutschland und Frankreich sind sehr unterschiedlich, und der Versuch, um jeden Preis das Gegenstück im anderen Landes zu finden, verwischt manchmal die jeweiligen Feinheiten. Indem ich das deutsche System kennengelernt habe, konnte ich zugleich das französische System aus einem neuen Blickwinkel betrachten und mich für andere Funktionsweisen öffnen und neue Methoden entdecken.

            Die AbP-Stelle war meine erste hauptberufliche Erfahrung. Ich habe nicht nur gelernt, Projekte zu managen, sondern auch die Arbeitswelt in Deutschland kennengelernt und viele Menschen mit sehr unterschiedlichen Profilen getroffen. Auch mein Deutsch konnte ich festigen, vor allem schriftlich: Am Anfang brauchte ich stets Online-Übersetzer, um E-Mails zu schreiben, jetzt fühle ich mich im Deutschen genauso sicher wie im Französischen.

... das mich beruflich und persönlich weiterbringt.

Ich konnte noch zwei weitere Monate im Verein bleiben, um die Übergabe an meine Nachfolgerin zu vollziehen, und startete dann in meine freiberufliche Tätigkeit als Jugendleiterin für deutsch-französische Begegnungen.  In meinem AbP-Jahr hat es mir besonders viel Spaß gemacht, Austausche zu begleiten und mit Jugendlichen zu arbeiten. Es ist ein Beruf, bei dem man viel in Bewegung ist und der Raum für Kreativität und Entdeckungen lässt.  Ich habe auch vor, wieder in die Forschung zu gehen und in Linguistik zu promovieren. Vor allem aber habe ich in diesem Jahr Freunde gefunden, viele inspirierende Menschen getroffen und bin viel in Frankreich und Deutschland herumgereist!

Suzanne Patzschke ist 24 Jahre alt, gebürtige Deutsch-Französin, wuchs in der Normandie auf und kam vor einem Jahr über das Programm "Arbeit beim Partner" nach Nordrhein-Westfalen. Sie hat einen Masterabschluss in mehrsprachiger Linguistik und möchte in der Forschung im Bereich Phonetik weitermachen.

Suzanne Patzschke
Jugendleiterin für Jugendbegegnungen