Kontext
Die Forschungsfelder sind im städtischen Großraum von Köln (1,05 Mio. Menschen) die Viertel Ostheim und Südstadt und in der Métropole Européenne de Lille (MEL, 1,1 Mio. Menschen) der Stadtteil Vauban-Esquermes in Lille und der Stadtteil La Bourgogne in Tourcoing. Hier sollen 30 Interviews mit Jugendlichen (15 in jedem Land) und 10 (5 in jedem Land) mit Expert*innen geführt werden. Zuerst werden die Jugendlichen interviewet, um davon ausgehend die Auswahlkriterien für die Interviews mit den Expert*innen festzulegen.
Bezüglich der Formen politischer Partizipation unterscheiden wir konventionelle Formen politischer Partizipation (z.B. Beteiligung an Strukturen der repräsentativen Demokratie wie z.B. Wahl oder Parteimitgliedschaft) und unkonventionelle Formen (z.B. Petitionen, Beteiligung an sozialen Bewegungen, an Demonstrationen, an der politischen Meinungsbildung im Internet, z.B. Aufruf zu Flashmobs, Initiierung von Hashtags). Bei allen Formen politischer Partizipation sind die Medien (Fernsehen, Radio, Internet etc.) als entsprechende Plattformen mitzudenken, gerade mit Blick auf deren Rezeption und Nutzung durch Jugendliche.
Auch bezüglich der Formen des Umgangs mit politischen Partizipationsmöglichkeiten durch Jugendliche soll eine exemplarische Varianzbreite von Umgangsformen sichtbar gemacht werden, z.B. Engagement, Loyalität, „part-time-Beteiligung“, Ausstieg/Rückzug, politisches Desinteresse, Protest u.a.
Zielsetzung
Die international vergleichende Perspektive ermöglicht einen Blick über den „nationalen Tellerrand“ und der Erkenntnisgewinn aus dieser Forschungsarbeit wird sowohl den Verantwortlichen des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) als auch den Verantwortlichen für Jugendforschung, politische Jugendbildung und Jugend(sozial-)arbeit in Deutschland und in Frankreich zugutekommen, etwa bei der Planung von Aktivitäten mit Jugendlichen oder der Planung weiterer Forschungsprojekte und -perspektiven, die darauf aufbauen können.
Die Erkenntnisse aus diesem Forschungsprojekt sollen einen Beitrag zur Extremismusprävention in beiden Ländern leisten, da Erkenntnisse z.B. darüber gesammelt werden, wie junge Menschen ihre politische Haltung entwickeln und welche Erfahrungen, Anlässe und Ereignisse zu welchen politischen Aktivitäten führen.
Methodik und Vorgehensweise
Im Forscherteam wurde der Begriff der politischen Partizipation diskutiert. Es wird ein offenes und holistisches Konzept von politischer Partizipation zugrunde gelegt. Ziel ist es, die Pluralität politischer Partizipationsformen zu berücksichtigen. Neben einer umfassenden Literaturrecherche, stützen wir uns auf die Expertise des Kollegiums.
Um eine Vielfalt an Deutungs- und Handlungsmustern bei Jugendlichen hinsichtlich politischer Partizipation berücksichtigen zu können, werden innerhalb der Befragtengruppen Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund, männliche und weibliche Jugendliche und Jugendliche mit verschiedenen Bildungshintergründen einbezogen. Dies ermöglicht ein intersektionelles Vorgehen in dieser qualitativen Forschung („Intersektionen“ bezeichnet die Überkreuzung verschiedener Differenzlinien in Haltungen und Handlungen, z.B. Geschlechtszugehörigkeit und Migrationshintergrund) und hilft, „blinde Flecke“ zu minimieren.
Es handelt sich um eine qualitative empirische Forschung (Datenbasis: insgesamt 40 qualitative Interviews) mit Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren, die sowohl privilegierte als auch marginalisierte Stadtteile einbezieht, um gezielt lokale Bedingungen des Aufwachsens, der politischen Meinungsbildung und auch lokale politische Aktionsformen in ihren sozialen Zusammenhängen erforschen können. In der Gestaltung des Forschungssamples wird achtsam mit der Diversität der Untersuchungscharakteristika (wie Alter, Gender, Ethnizität, soziale Herkunft und Bildungsniveau etc.) umgangen.
Forschungsfragen
Das Forschungsprojekt verfolgt folgende Forschungsfragestellungen:
- Welche Formen politischer Partizipation Jugendlicher gibt es in Frankreich und Deutschland (z.B. entlang der Kriterien konventionell/unkonventionell und unter Berücksichtigung von Formen politischer Partizipation im öffentlichen Raum und in privaten Kontexten)?
- Welche Formen politischer Partizipation nutzen Jugendliche aktuell unter welchen Rahmenbedingungen, in welchem Ausmaß und auf welche Art und Weise?
- Auf welche Weise stehen die Formen politischer Partizipation Jugendlicher zueinander in Beziehung (auch historisch, z.B. entlang der Kriterien konventionell/unkonventionell und ihren Unterformen)?
- Welche Bedeutung haben die Formen politischer Partizipation für den sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland und Frankreich?
- Welche Bedeutung haben die Formen politischer Partizipation für die politische, insbesondere auch demokratische Bewusstseinsbildung in Deutschland und Frankreich?
- Welche Beziehungen und Einstellungen haben Jugendliche mit Migrationshintergrund zu aktuellen Formen politischer Partizipation in den Herkunftsländern ihrer Familien?
Publikation
Abgeschlossen werden soll das Projekt nach den drei Jahren Projektlaufzeit durch eine Buchpublikation (sowohl in deutscher als auch in französischer Sprache) und in Form verschiedener Fachartikel, in denen Antworten auf die o.g. Forschungsfragestellungen gegeben werden.
Mitglieder der Forschungsgruppe in alphabetischer Reihenfolge
- Özlem Aslan, TH Köln, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften, Köln
- Adrien Benaise, doctorant, Université de Lille, Centre lillois d’études et de recherches sociologiques et économiques (CLERSE), Lille
- Dr. Veronica Fernandez Caruncho, TH Köln, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften, Köln
- Prof. Dr. Schahrzad Farrokhzad, TH Köln, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften, Köln
- Abdelhafid Hammouche, professeur des universités, Université de Lille, Centre lillois d’études et de recherches sociologiques et économiques (CLERSE), Lille
- Laurent Lardeux, chargé d’études et de recherche, Institut National de la Jeunesse et de l’Éducation Populaire (INJEP) ; Ecole Normale Supérieure (ENS), chercheur associé au laboratoire Triangle, Lyon
- Dietmar Loch, professeur des universités, Université de Lille, Centre lillois d’études et de recherches sociologiques et économiques (CLERSE), Lille
- Stoyan Nikov, doctorant, Université de Lille, Centre lillois d’études et de recherches sociologiques et économiques (CLERSE), Lille
- Prof. Dr. Markus Ottersbach, TH Köln, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften, Köln
- Dr. Sonja Preissing, Diplom-Pädagogin (Dipl.-Päd.), Leiterin der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendpolitik, Deutsches Jugendinstitut e. V. (DJI), München
- Zaihia Zeroulou, maîtresse de conférences, Université de Lille, Centre lillois d’études et de recherches sociologiques et économiques (CLERSE), Lille