Im Elysée-Vertrag werden die Themen Nachhaltigkeit, Klima und Umwelt nicht erwähnt. Dagegen ist im Vertrag von Aachen diesen Themen ein Kapitel gewidmet. Was steht im Vertrag von Aachen zu diesen Themen?
Im Jahr 1963 zum Zeitpunkt der Unterzeichnung stellten der Frieden und dessen Sicherung den Hauptgegenstand des Elysée-Vertrags dar. Dem Umwelt- und Klimaschutz wurde auf der internationalen Ebene noch nicht die Aufmerksamkeit gewidmet, über die er heute verfügt. Der Vertrag von Aachen aus dem Jahr 2019 widmet 2 von 28 Artikeln Energie- und Klimafragen (die im Übrigen sehr eng mit denen des Friedens verknüpft sind): erstens müssen die Regierungen gemeinsame, ambitionierte und ganzheitliche Konzepte erarbeiten, um die Umwelt zu schützen und gegen den Klimawandel zu kämpfen (Artikel 18) und zweitens insbesondere die Energiewende vorantreiben (Artikel 19).
Wie ordnen Sie die Vereinbarungen im Vertrag von Aachen ein? Gehen diese über die Vereinbarungen im Pariser Klimaabkommen hinaus?
Die Verhandlungen über den Vertrag von Aachen waren in einigen Bereichen nicht einfach, insbesondere beim Thema Europa, wo kaum Fortschritte gemacht werden konnten, im Gegensatz zum Thema Umwelt, welches eines der konsensträchtigsten Themen war. Dennoch sind zwei Artikel einerseits viel in Anbetracht der Zahl der im Vertrag behandelten Themen und andererseits unzureichend angesichts der Dringlichkeit des Klimawandels und der Verantwortung unserer beiden Länder: auch wenn gegenwärtig eine erhebliche Zahl an Maßnahmen unternommen wurde, bestehen weiter unterschiedliche Sichtweisen und die Ergebnisse bleiben hinter den Erwartungen zurück. Wir benötigen mehr Ehrgeiz von Deutschland und Frankreich, um die Klimaziele im Pariser Klimaabkommen in konkrete Politik umzusetzen.
Welche deutsch-französischen Vorhaben im Bereich Umwelt wurden bereits umgesetzt? Welche weiteren Projekte würden Sie vorschlagen?
Die Umsetzung des Vertrags von Aachen erfolgt in Form von sogenannten vordringlichen Projekten, 15 an der Zahl, die von den zwei Regierungen ausgewählt und dessen Umsetzung durch den deutsch-französischen Ministerrat sichergestellt wird. Mehrere Projekte betreffen die Themen Energie und Klima: Rückbau des Atomkraftwerks in Fessenheim (nach dessen Schließung im Juni 2020), Verbesserung der grenzüberschreitenden Zugverbindungen und eine bessere deutsch-französische Koordination der nationalen Energie- und Klimapläne, insbesondere zur gemeinsamen Nutzung von Hypothesen zur Entwicklung des Strommixes. Die Umsetzung von gemeinsamen Projekten wie angestrebt in Aachen wurde ebenfalls seitdem beispielsweise durch zwei wichtige europäische Industrieprojekte in den Bereichen Batterie und Wasserstoff konkretisiert. Ich persönlich bin der Meinung, dass verstärkt konkrete Aktionen hätten gefördert werden sollen, um Energie einzusparen und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, zwei Bereiche, in denen die deutsch-französischen Synergien potentiell groß sind.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Umsetzung von deutsch-französischen Projekten im Bereich Umwelt? Welche Maßnahmen zur Verbesserung der deutsch-französischen Zusammenarbeit im Bereich Umwelt würden Sie empfehlen?
Auch wenn Deutschland und Frankreich sich über die großen Ziele einig sind (Pariser Klimaabkommen, Europäischer Green Deal, etc.), haben sie teilweise sehr unterschiedliche wirtschaftliche und geopolitische Interessen. Hinsichtlich des Klimas starten wir von zwei sehr verschiedenen Ausgangssituationen: Frankreich, ein zentralisierter Staat, hat auch ein entsprechendes Energiesystem, das maßgebend von der Atomkraft bestimmt ist, während Deutschland, ein föderaler Staat, über mehr Flexibilität und Handlungsspielraum verfügt, um den Energiemix zu diversifizieren, einschließlich der erneuerbaren Energien. Aber bis dahin produziert Deutschland noch viel Strom auf der Basis von Kohle! Eine große Herausforderung liegt daher darin, die Energie- und Klimapolitik zu harmonisieren, um zwei Ziele zu erreichen: die Klimaneutralität sowie den Schutz der Umwelt und der Biodiversität, die damit einhergehen. Gleichzeitig müssen wir neue Utopien entwickeln, um den ökologischen Wandel zu begleiten und die Resilienz unserer Gesellschaften zu fördern: darum geht es auch bei einer neuen Einrichtung aus dem Vertrag von Aachen, dem „Deutsch-Französischen Zukunftswerk“, welches auch in die 15 vordringlichen Projekte involviert ist. Schließlich ist es auch unabdingbar, dass die deutsch-französische Kooperation im Hinblick auf den Umweltschutz und die Energiewende der sozialen Dimension und der Notwendigkeit, strukturelle Veränderungen zu begleiten, einen wichtigen Platz einräumt.
Werden die Vereinbarungen im Vertrag von Aachen in den Europäischen Green Deal integriert? Welche Rolle kommt der deutsch-französische Zusammenarbeit hinsichtlich der europäischen Klimapolitik zu?
Die bilaterale Zusammenarbeit zu dem Thema reiht sich heute in den Green Deal ein, der am 11. Dezember 2019 von der Europäischen Kommission vorgestellt wurde. Deutschland und Frankreich sind bei diesen Fragen einerseits Motoren auf der Ebene der EU, wenn sie sich einig sind, aber andererseits manchmal auch ein starker Bremsfaktor, wenn Meinungsverschiedenheiten zutage treten: aktuell ist das der Fall bei der „Taxonomie“, eine Liste von Aktivitäten, denen die Kommission ein „grünes“ Gütesiegel zuschreiben möchte, um in der Lage zu sein, die Investitionen auf die umweltfreundlichsten Aktivitäten zu lenken. Frankreich möchte hier Kernenergie und Deutschland Gasprojekte in die Liste aufnehmen. Heute besteht auf europäischer Ebene eine echte Blockade bei diesem Punkt. Das politische Europa von heute ist nun aber auch als „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ (EGKS, 1951) entstanden: es ist an der Zeit, Europa zu transformieren, um in seine DNA von nun an den Klimaschutz zu integrieren, insbesondere durch eine große Initiative im Bereich der erneuerbaren Energien.
Neben der Politik können natürlich auch Bürgerinnen und Bürger den Umwelt- und Klimaschutz fördern. Was können Jugendliche und junge Erwachsene konkret tun, um Umwelt- und Klimaschutz zu betreiben?
Jeder und jede kann in der Tat auf seiner bzw. ihrer Ebene handeln. Aber wie Nicolas Hulot sagt “die kleinen Schritte reichen nicht aus“. Wir müssen strukturelle Systemveränderungen erreichen und hierfür ist es unabdingbar, von unserer Politik konkrete und ambitionierte Aktionen zu fordern. Das geschieht natürlich über Wahlen, welche in einer Demokratie unerlässlich sind, aber nicht nur hierüber. Andere Formen der Mobilisierung haben sich in den vergangenen Jahren anknüpfend an die von Greta Thunberg initiierte Bewegung entwickelt. Abschließend ist es notwendig, dass unsere Regierungen die Jugend und die Zivilgesellschaft unterstützen, um zusammen auf die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft hinzuarbeiten, indem zum Beispiel gemeinsame Bildungsinitiativen in den Bereichen Umwelt und Nachhaltigkeit gefördert werden.
Fabien Baudelet äußert sich hier als ehemaliger DFJW-Juniorbotschafter. Er ist aktuell Attaché für Energie und Klima bei der Französischen Botschaft in Deutschland. Zuvor arbeitete er beim Deutsch-französischen Büro für die Energiewende (DFBEW) in Paris und später in Berlin.
Tobias Rachidi ist DFJW-Juniorbotschafter und er äußert sich hier als DFJW-Juniorbotschafter.